ErinnerungsKulturBrücken

Tag der Befreiung

In den späten Abendstunden des 8. Mai 1945 unterzeichneten im sowjetischen Hauptquartier Berlin-Karlshorst die Vertreter der alliierten Streitkräfte und der Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Damit endete offiziell der Zweite Weltkrieg in Europa. Für die meisten Völker Europas bedeutete dieses Ereignis die Rückkehr zur Normalität. Am nächsten Tag führte die überschäumende Freude die Menschen auf die Straßen der europäischen Städte. Dank der Chronik können wir die Atmosphäre des allgemeinen Hochgefühls miterleben. Ganz zu Recht ist der 8. bzw. 9. Mai als der Tag des Sieges bzw. der Tag des Sieges in Europa ein Feiertag für die Siegermächte.

Und wofür steht dieser Tag in Deutschland?

Das Ende der Kriegshandlungen bedeutete für die Gegner der nationalsozialistischen Diktatur die Befreiung, für viele – sogar die Rettung. Die Worte des Bundeskanzlers Helmut Kohl „Der Zusammenbruch der NS-Diktatur am 8. Mai 1945 wurde für die Deutschen ein Tag der Befreiung“, gelten uneingeschränkt für die Verfolgten des NS-Regimes.

Es fanden keine Luftangriffe auf die deutsche Städte mehr, die Nächte im Luftschutzbunker gehörten der Vergangenheit. Vorausgesetzt, man hatte noch den Dach über Kopf. Denn die deutschen Städte lagen in Trümmern. Ihre restliche Bewohner, meistens Alte, Frauen und Kinder, mussten täglich ums Überleben kämpfen – mit Hunger, Kälte und Krankheiten. Millionen Männer gerieten in Gefangenschaft und viele von ihnen kehrten nie zurück. Aber am schlimmsten war die Lage der Deutschen, die östlich der Linie Oder-Neiße lebten. Noch während der Kampfhandlungen wurden in diesen Gebieten die Beschlüsse der Jalta-Konferenz umgesetzt. Schlesien, Hinterpommern, Westpreußen, Neumark, Danzig und das südliche Teil Ostpreußens gingen zu Polen über, die nördliche Hälfte Ostpreußens und Memelland – zur UdSSR.

Die hier lebenden Menschen mussten den Hass der Sieger erleben, den die deutschen Besatzer zuvor im Osten Europas reichlich gesät hatten. Der Einmarsch der sowjetischen Truppen wurde durch Gräueltaten begleitet, gegen die die Führung der UdSSR zu spät drakonische Maßnahmen ergriff. Das Propagandaministerium des Deutschen Reiches nutzte die Gelegenheit aus, um den Kampfwillen der Soldaten zu stärken. Gleichzeitig wurde es aber versäumt, die Zivilbevölkerung zu evakuieren, bevor die Lage es noch relativ gefahrlos zuließ. Dies geschah nur im Falle vom Memelland. Noch bis Anfang Januar 1945 hatte der Staatsapparat die Versuche, nach Westen zu fliehen, unterbunden. Ohne Reisegenehmigung wurden u. a. keine Zugfahrkarten verkauft.

Aber als die sowjetische Offensive am 12. Januar 1945 die deutschen Verteidigungslinien durchbrach, begann der chaotische Exodus der Bevölkerung. Mitten im Winter verstopften die Flüchtlingstrecks die Straßen. Aber sehr schnell wurden viele von denen von den anrückenden Einheiten der Roten Armee überrollt.

Je östlicher befanden sich die Geflüchteten, desto weniger Chancen zu entkommen hatten sie. Besonders dramatisch war die Lage im Raum Königsberg. Bereits am 29. Januar wurde die Verbindung mit dem Hafen Pillau abgeschnitten, als die sowjetischen Truppen Groß Heydekrug erreichten. Drei Tage zuvor wurde die deutsche 4. Armee bei Elbing den Rückzugsmöglichkeiten geraubt und dann bei Heilgenbeil eingekesselt. Somit wurden den 2,4 Millionen Ostpreußen alle Fluchtwege genommen. Erst am 19. Februar gelang es der Wehrmacht, die Straße Königsberg-Pillau freizukämpfen. Der schmale Weg zwischen dem Frischen Haff und dem Wald wurde die letzte Chance für Dutzende Tausend Königsberger, nach Westen durchzubrechen. Das war auch die Straße des Todes, da sie ständig durch Flieger und Artillerie angegriffen wurde. Auch wenn Pillau erreicht wurde, waren die Gefahren keinesfalls vorbei. Der Platz auf dem Schiff war nicht gesichert. Die Kriegsmarine versuchte, die Zivilbevölkerung über die Ostsee zu bringen, wobei das lediglich eine Nebenaufgabe war. Vor allem wurden die Verwundete und wertvolle Spezialisten der Streitkräfte abtransportiert, aber auch die Parteifunktionäre und ihre Familienangehörige. Der Treibstoffmangel erschwerte die Aufgabe, da die Kriegsmarineleitung die vorhandenen Vorräte für die Kriegsschiffe reservierte. Bei der Evakuierung wurden etliche Transportschiffe versenkt, wobei es bis zu 40.000 Menschen ums Leben kamen. Anfang April 1945 warteten etwa 400.000 Flüchtlinge auf ihren Abtransport – vor allem, in Pillau1.

Am 6. April wurde Königsberg wieder vollständig eingekesselt. Seine Garnison kapitulierte am 9. April nach den erbitterten Kämpfen.

Da der Heilgenbeiler Kessel noch Ende März aufgerieben wurde, blieb in deutschen Händen nur das Samland. Die Zivilisten wurden ab jetzt nur bis zur Halbinsel Hela im Pendelverkehr transportiert. Erst von dort aus wurden sie nach und nach in Richtung Westen verschifft. Um Pillau selbst tobten die heftigsten Kämpfe. Die Verteidigung verfügte über die ausgebauten Wehranlagen und schwere Marineartillerie. Auch die Kriegsschiffe griffen in den Kampf ein. Noch heute sind in Wälder um die Stadt die Resten von Artilleriesplittern und Hülsen zu finden. Am 25. März fiel Pillau. Erst im Jahre 2000 wurde in Baltijsk (ehem. Pillau) ein Friedhof für die deutschen (militärischen und zivilen) Opfer der Kämpfe eröffnet2,3.

1947 – 1949 wurden alle noch in Königsberg/Kaliningrad gebliebene Deutsche in die sowjetische Besatzungszone deportiert.

Genauso trafen die Folgen des von Deutschland aus begonnenen Krieges auch die Deutschen in anderen ost- und südeuropäischen Staaten. Insgesamt flüchteten oder wurden vertrieben zwischen 1944 und 1951 den verschiedenen Schätzungen nach von 12 bis 14 Millionen Personen. Dazu bleibt es oft außer Acht das Schicksal der Deutschen in der UdSSR, die erst 1956 ihre bürgerlichen Rechte teilweise zurückbekamen.

Wie man es sehen kann, ist der 8. Mai in Deutschland ein Tag, mit dem viele ganz unterschiedliche Ereignisse verbunden sind. Fest steht es aber, dass an dem Tag die neue Ära der Weltgeschichte begann, in der Deutschland es doch geschafft hatte, die Folgen des Krieges zu überwinden und sich wiederzuvereinigen.

Referenzen:

1https://de.wikipedia.org/wiki/Baltijsk#/media/File:Bundesarchiv_Bild_146-1989-033-33,_Pillau,_Hafen,_Fl%C3%BCchtlinge.jpg

2http://www.volksbund.de/kriegsgraeberstaette/pillau-baltijsk.html

3http://img-fotki.yandex.ru/get/4116/50083820.2a4/0_cf2f8_925a1be0_XL.jpeg

 

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