Vorschläge zur Bekämpfung der sozialen Armut bei spätausgesiedelten
Deutschen
aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR


Sowohl bei der deutschen Öffentlichkeit als auch bei den dafür zuständigen Behörden ist heutzutage das Thema „Armut im Alter“ zum Aufsehen erregenden Problem geworden. Der ausgeschiedene Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, brachte im Jahresbericht 2008 vor, dass Mehr als 1% der deutschen Rentner sind gezwungen, die Leistungen von Sozialämtern in Anspruch zu nehmen, so dass ihr monatliches Einkommen 615 € erreichen könnte. Der Minister stellte auch fest, dass Altersarmut schon ein „Randthema mit steigender Tendenz“ ist. Der Paritätische Wohlfahrtverband in seinem Armutsbericht 2011 konstatiert, dass sogar 12 Millionen Menschen in BRD von Armut betroffen sind.

Es gibt jedoch eine Bevölkerungsgruppe in Deutschland für welche Altersarmut kein Randthema ist – die betagten spätausgesiedelten Deutschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, die Opfer der aufeinander folgenden Wellen von Vertreibungen (seit 1915), des totalen Genozids (7. Oktober 1942 – bis mindestens 1953), der schleichenden Erniedrigungspolitik (bis wenigstens Ende 1980-n) und der Zwangsflucht aus den neu entstandenen nationalen Gemeinwesen (1990-n –bis heute) sind. Über Jahrzehnte hinweg wurde den Deutschen die Ausreise nach Deutschland verboten, weil die sowjetischen Machthaber ihren Fleiß in den Kohlgruben und für die Erschließung der Brachländer brauchten. Als Ende 1980-n das Ausreiseverbot für die „Sowjetdeutschen“ aufgehoben wurde, litten schon viele Menschen noch des arbeitsfähigen Alters an Alters- und Berufskrankheiten und ihre Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, erfolgreich zu bewerben und gut angestellt zu werden, waren gering gewesen.

Dazu noch der Zugang der Deutschen zum sowjetischen Berufsbildungssystem, das im Allgemeinen den europäischen Standarten widersprach, war für die „Sowjetdeutschen“ besonders erschwert. Nur Mitte1990-n wurde der berüchtigte „Punkt 5 –Nationalität“ in allen Bewerbungsunterlagen und Inlandspässen gestrichen. Dennoch die „verdächtige Nationalität“ konnte auch später von wachsamen Behörden problemlos ermittelt werden, auch wegen „Umziehens“ der Eltern der bewerbenden Person in der Zeit des 2. Weltkrieges nach Kasachstan, Sibirien und andere entfernte Randgebiete des riesigen Sowjetreiches. Infolgedessen, nur eine unbeachtliche Anzahl von Spätaussiedlern ist imstande gewesen, in Deutschland Arbeitsplätze zu finden, die den gebührenden Rentenbetrag für die zukünftige Rente sichern können.

Entstanden ist eine zahlenmäßig bedeutende Schicht der zugewanderten deutschen Bevölkerung, die trotz der lebenslangen ununterbrochenen Beschäftigung – auch in Deutschland – bei der Erreichung des Rentenalters von 65 Jahren zu Kunden der Sozialämter geworden sind. Selbstverständlich, die dem sowjetischen „Paradies“ entschlüpften Deutschen waren auch in der Sowjetunion beschäftigt gewesen, dennoch gewöhnlich wurden sie zu den niedrig bezahlten Arbeitsplätzen in nicht-angesehenen Berufen zugelassen. Sie haben auch irgendwelche Renten erarbeitet, die die heutigen Behörden Russlands, nolens volens, sogar den Emigranten auszuzahlen, bereit sind. Bis 1993 erreichte eine durchschnittliche Rente der Werktätigen in der Russischen Föderation kaum 50 €. Keine Ausnahme waren auch die Deutschen.

Laut dem ‚Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz -BVFG) auch die Spätaussiedler haben in Deutschland Anspruch auf eine Rente. Die berücksichtigte Dauer der Berufstätigkeit bzw. die Höhe dieser Rente wird dem Fremdrentengesetz gemäß, berechnet. Bis 1993 gewährleitstete dieses Gesetz den ausgesiedelten Deutschen (Aussiedlern) und ihren Familienangehörigen würdiges Leben im Alter. Damals stellte die Deutsche Rentenversicherung die gesamte Dauer der Berufstätigkeit der Aussiedler mit derjenigen der einheimischen Deutschen in ähnlichen Berufen gleich. BVFG stellt auch die Rahmenbedingungen für die Rentenangelegenheiten der Aus- bzw. Spätaussiedler dar.

Das Problem „Altersarmut der Spätaussiedler“ ist seit 1993 – 1996 entstanden, als die deutschen Behörden fingen an, die so genannte „Konsolidierung der Rentenangelegenheiten“ in die Praxis umzusetzen. Für neue spätausgesiedelte Zuwanderer bedeutete es eine drastische Reduzierung der Altersrente – bis berüchtigten „25 Pinkten“. Infolgedessen ist die Höhe der Altersrente vieler Spätaussiedler auf Niveaus gesunken, die sogar unter der Armutsgrenze von 615 € gewesen sind. In der Wirklichkeit sind solche Renten, die dem Fremdrentengesetz gemäß, festgelegt werden, keine Rente im eigenen Sinne des Wortes, weil beim solchen Herangehen das Hauptkriterium fehlt – die Anlehnung der Rente an Menge und Qualität der durch die jeweilige Person bis zum Rentenalter geleisteten Arbeit.

Die so genannten „Mischehefamilien“ sind in eine besonders schwere Lage versetzt worden, weil solchen Personen Dauer ihrer Arbeitstätigkeit in UdSSR bzw. in Russland heutzutage aberkannt wird. Infolgedessen, sind tausende Familien zu Kunden von Sozialämtern geworden, obwohl sie zuvor in der UdSSR bzw. in ihren Nachfolgestaaten als Ehepartner der Deutschen öfters in der Lage versetzt gewesen waren, schwere unqualifizierte Arbeit zu leisten. Die überwiegende Mehrheit von ihnen arbeitete auch in Deutschland weiter.

Leider, ist es eine allgemein bekannte Tatsache, dass der Gesetzänderungsprozess in Deutschland Jahre und sogar Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann. Man kann sich auch nicht von Hoffnungen beflügeln lassen, dass das Fremdrentengesetz noch während der Lebenszeit vieler betagter Spätaussiedler zu ihren Gunsten geändert wird. Es ist eine ganz andere Sache, was die „russische Rente“ anbetrifft, die Spätaussiedler in Russland bzw. in Aussiedlungsstaaten „verdient“ hatten. Es gibt keine speziellen deutschen Gesetze, die Angelegenheiten solcher Renten, die den Spätaussiedlern in Russland bzw. in Aussiedlungsstaaten entfallen bzw. die sie in Zukunft beziehen können. Ob und wie eine etwaige „russische Rente“ zu Sozialleistungen angerechnet bzw. von denselben abgerechnet werden soll, ist aufgrund der kommunalen Beschlüsse, die vielen Spätaussiedlern unbekannt sind, geregelt worden. Im Regelfall, sind die Sozialleistungen der Kompetenz der Kommunen, die im Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) vereinigt sind, vorbehalten.

Auf internationaler Ebene werden normalerweise die Rentenangelegenheiten der Auswanderer aufgrund der zwischenstaatlichen Abkommen geregelt. Solche Rentenabkommen hat Deutschland mit vielen Ländern, auch mit denjenigen, die keine Mitgliedschaft in der Europäischen Union haben. Es ist nicht der Fall mit Russland und anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, die keine Lust haben, dieses Problem mit zuständigen deutschen Behörden zu besprechen.
Jedenfalls, lange Zeit gab diese eigentlich regelwidrige Sachlage keinen Anlass zur Sorge beim DStGB, wenigstens bis zum Zeitpunkt, wenn die Höhe der „russlanddeutschen Rente“ in Rubel, umgerechnet auf Euro, ging wesentlich über 50 € hinaus. Die Erhöhung der Altersrenten wurde einerseits von steigernden Einkünften Russlands vom Kohlenwasserstoffproduktenexport und andererseits durch galoppierende Lebensmittelpreise, die zurzeit gleich oder sogar höher als die Preise auf dem deutschen Markt sind, beinflüsst. Die Mehrheit der russischen Bevölkerung ist ärmer geworden. Dazu hat auch die schon teilweise durchgeführte Privatisierungsreform des öffentlichen Versorgungsunternehmens beigetragen. Die Wohnimmobilienbetriebs- und Nebenkosten sind, insbesondere in den Städten, rasant gewachsen. Die Regierung wurde gezwungen, auch die Altersrenten zu erhöhen. Gegenwärtig beträgt eine durchschnittliche monatliche Altersrente in Russland etwa 200 Euro.

Solche „russische Rente“ können auch die nach Deutschland heimgekehrten Spätaussiedler beziehen, was eigentlich auch in vielen Fällen passiert ist. Die dafür in Russland notariell bevollmächtigten Verwandten und „gute Bekannten“ kassieren bei den russischen Rentenkassen die den Spätaussiedlern zustehenden Gelder ab und übergeben die in bar mit gelegentlichen Personen nach Deutschland, was nicht selten zu Missbrauchfällen führt und die ganze Situation kriminalisiert. Abschluss der entsprechenden Rentenabkommen mit der Russischen Föderation und anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, die Deutschland mit anderen zivilisierten Ländern hat, wird die Rentenangelegenheiten der Spätaussiedler rechtskräftig schützen und ihr Ausrutschen in eine kriminelle Sackgasse verhindern.

Durch Inkrafttreten des Fremdrentengesetzes sind viele spätausgesiedelten Rentner/in in eine dubiose rechtliche Situation geraten, weil sie scheinbar zwei Renten – russische und deutsche – für die gleiche Arbeitsdauer zu beziehen, veranlasst sind. Viele von Spätaussiedlern des Rentenalters sind auch dessen unbewusst, dass sie wegen dieser anormalen Sachlage auf keinem Fall mit Schuld beladen werden sollen. Unglaubliche Ungewandtheit der zuständigen Behörden und als Ergebnis dieser Untätigkeit - fehlendes Rentenabkommen zwischen Deutschland und Russland, haben diese Randsachlage verursacht.

Indessen, wird Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), das die Grundsicherung für Arbeitsuchende in der Bundesrepublik Deutschland regelt, in Bezug auf Spätaussiedler angewandt, weil die Rentenabkommen zwischen Deutschland und der Russischen Föderation bzw. den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR fehlen. Den Rechtsprechungen von SGB II und auch SGB XII (§ 82 Abs. 2) gemäß, alle Guthaben der Sozialhilfeantragsteller, sei es Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung, müssen als Einkünfte dieser Personen berechnet und von den von Sozialämtern gewährten Regelleistungen abgezogen werden. Es muss nochmals unterstrichen werden, dass es weder deutsche noch ausländische Gesetze bzw. Vorschriften gibt, die solche „Einkünfte“, die tatsächlich miserable Kompensationsauszahlungen für Zwangsarbeit der spätausgesiedelten Deutschen sind, definieren könnten.

Anders formuliert, müssen die von Sozialämtern gewährten Regelleistungen um die Höhe der „russischen Rente“ verringert werden. Die Entscheidungen über den Ablauf des Bewilligungsverfahrens sind den Kommunen vorbehalten. Es gibt keine einheitliche Regelung für 12.244 deutsche Städte und Gemeinde. Es ist auch leicht vorstellbar, welche Diskrepanzen und sogar Beamtenwillkür solches Herangehen an Probleme der spätausgesiedelten Rentner verursacht hat. In einigen Städten und Gemeinden wird die „russische Rente“ überhaupt nicht wie eine Art von zusätzlichen Einkünften betrachtet. Allerdings, mancherorts sind die betagten Bezieher der Regelleistungen veranlasst, ihre „russischen Renten“ auf eigene Gefahr aus Russland und postsowjetischen Staaten mit instabilen wirtschaftlichen und politischen Systemen herauszuholen (wo die kriminelle Vereinigungen die Rentenangelegenheiten in Besitz zu nehmen versuchen), um kommunale Haushalte zu füllen. Solchen Beziehern der Regelleistungen werden sogar die nachgewiesenen Portoaufwendungen mit anfallenden Geldtransfergebühren nicht erstattet.

Selbstverständlich sind die Rentner, deren „russische Rente“ nicht berücksichtigt wird, in besserer materieller Lage gewesen. Es bedeutet, dass zusätzliche 200 € von der „russischen Rente plus etwa 500 € als Grundsicherung erhöhen die Einkünfte solcher „Glückspilze“ um 40%. Diejenigen, die auch Kosten tragen, um ihre Renten auf eigene Gefahr aus Russland herauszuholen, werden in den Zustand, der wesentlich unter der Armutsgrenze ist, herabgestürzt… Wie nach dem berühmten Spruch von George Orwell „Die Gesetze für alle Rentner sind gleich, aber für manche sind die gleicher.“ Solche Situation widerspricht den Sozialgrundprinzipien Deutschlands.

Welche Vorschläge zur Bekämpfung der sozialen Armut bei spätausgesiedelten Deutschen, die aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR nach Deutschland heimgekehrt sind, können gemacht werden?

-  Die materielle Lage der spätausgesiedelten Deutschen kann durch die „russische Rente“ wesentlich verbessert werden, die tatsächlich eine Art der Kompensation für Erniedrigungspolitik der sowjetischen Machthaber den Deutschen gegenüber ist. Das haben schon die Behörden vieler deutschen Gemeinden und Städten verstanden und schon in die Praxis umgesetzt.

-   Spezielle Fonds auf der kommunalen Ebene können gegründet werden, die ältere Menschen in unvorhersehbaren schweren Lebenssituationen (wenn z.B. Waschmaschine oder Kühlschrank unerwartet kaputt sind) unterstützten. Früher waren Sozialämter imstande gewesen, solche Hilfsleitungen Senioren zu gewährleisten. Heute ist diese gut bewertete Praxis der Vergessenheit preisgegeben worden.

-    Auf Basis der entsprechenden Rentenabkommen zwischen Deutschland und Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR müssen die Rentenangelegenheiten der spätausgesiedelten Deutschen geregelt werden.

Dr. Viktor Frasch

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